Deutsch für Flüchtlinge


Weiterbildung ehrenamtlicher Deutschlehrer Foto: Chris Merkelbach

Weiterbildung ehrenamtlicher Deutschlehrer Foto: Chris Merkelbach

Das Sprachenzentrum und das Fachgebiet für Mehrsprachigkeit der Technischen Universität Darmstadt bilden in Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung Darmstadt ehrenamtlich tätige Deutschlehrende in der Vermittlung der Fremdsprache Deutsch weiter. In dreistündigen Kurzworkshops können die zukünftigen Lehrenden ihr Wissen über Alphabetisierung, Mehrsprachenerwerb, Lehrwerke, Landeskunde und Interkulturelle Kompetenzen erweitern und vertiefen.

Sprachenförderung ist ein wichtiger Bestandteil der Integration von Flüchtlingen und MigrantInnen. Oft mangelt es jedoch an Lehrerinnen und Lehrern, an Geldern und an Zeit, um die Neuankömmlinge hinreichend fortzubilden. Dabei wollen Flüchtlinge so schnell wie möglich am Leben im neuen Land teilnehmen und die Landessprache erlernen. Viele Darmstädterinnen und Darmstädter engagieren sich deshalb und möchten Deutsch unterrichten. Um die freiwillig Lehrenden dabei so gut wie möglich zu unterstützen und ihnen eine Fort- und Weiterbildung zu ermöglichen, wurde das Projekt „Weiterbildung der ehrenamtlichen Deutschlehrenden“ gegründet. „Sprache ist der Schlüssel zur Integration und der Bedarf an qualifizierten Deutschlehrenden ist hoch“, so Dr. Markus Hoschek, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Darmstadt. „Es war uns daher ein großes Anliegen, der TU Darmstadt die Realisierung dieses Projekts zu ermöglichen.“

Weiterbildung ehrenamtlicher Deutschlehrer Foto: Chris Merkelbach

Weiterbildung ehrenamtlicher Deutschlehrer Foto: Chris Merkelbach

Das Projekt wird von Prof. Dr. Hufeisen und Dr. Christoph Merkelbach (Leitungsteam des Sprachenzentrums der TU Darmstadt) konzipiert und vom Fachgebiet Sprachwissenschaft Mehrsprachigkeit begleitbeforscht. Im Fokus stehen sechs Kurzworkshops für ehrenamtlich Lehrende, die von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Fachgebiets Mehrsprachigkeit durchgeführt werden. Themen sind zum Beispiel „Alphabetisierung in einer fremden Sprache“ oder „Wortschatzerwerb und Grammatikvermittlung“. Hier gibt es auch Einblicke in die neuesten Lehrwerke, Materialien für den Unterricht und Hinweise zu praktischen Übungen. Im Workshop „Mehrsprachenerwerb und Lernstrategien“ wird der Frage nachgegangen, wie der Mensch eine fremde Sprache erlernt, um dann praktisch mit Hilfe von Sprachlernstrategien verschiedene Lerntechniken mit den Lehrenden zu diskutieren und auszuprobieren. Der Workshop zur Landeskunde und Interkulturellen Kompetenz verfolgt zwei Ziele: Es soll überlegt werden, welche Art von Wissen Flüchtlinge über das Leben in Deutschland erwerben sollen, daneben aber auch die interkulturelle Situation, in der Lehrende beim Unterrichten stehen, beleuchtet werden.

Informationen zu Themen, Ort und Zeit sind auf der Homepage der Bürgerstiftung Darmstadt und des Fachgebiets für Mehrsprachigkeit an der TU-Darmstadt zu finden. Kontakt: cmerkelbach@spz.tu-darmstadt.de. Eine Teilnahmeanmeldung ist nicht notwendig.


 

Zu den Workshops im Einzelnen:

Mehrsprachenerwerb und Lernstrategien

Dieser Workshop geht der Frage nach, wie der Mensch fremde Sprachen erwirbt und erlernt. Dabei wird vor allem Bezug auf die Tatsache genommen, dass das Erlernen von neuen Sprachen auch von vorherigem Sprachwissen, sei es der Muttersprache oder auch anderen Sprachen, abhängig ist (z.B. Hufeisen 2010). Es sollen den Teilnehmenden Techniken an die Hand gegeben werden, die ihnen aufzeigen wie man mit dem Einfluss vorher gelernter Sprachen im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht positiv umgehen kann und vorhergehende Sprachenkenntnisse synergetisch für den Erwerb des Deutschen nutzen kann.

Der zweite Teil des Workshops beschäftigt sich mit der Vermittlung von Sprachlernstrategien. Viele Fremdsprachenlernende haben Probleme, eine neue Sprache zu lernen, weil sie keine Sprachlernstrategien aus dem vorherigen Unterricht kennen (z.B. Merkelbach 2011). Dies betrifft einerseits Lerntechniken zu einzelnen Sprachfertigkeiten, aber auch die Planung von Lernstrategien für den gesamten Spracherwerb. Ziel dieses Abschnitts ist es, den Teilnehmenden verschiedene Lerntechniken und Lernstrategien vorzustellen, damit sie diese ihren Lernenden vermitteln können.

 

Alphabetisierung in einer fremden Sprache

Das Erlernen einer fremden Sprache gestaltet sich des Öfteren als schwierig, da viele Lernende der lateinischen Schrift nicht mächtig sind bzw. Analphabeten sind. Aufgrund dessen müssen sie gezielt gefördert und Ihnen die Sprache näher gebracht werden. Bei den Analphabeten gibt es drei Typen zu unterscheiden: die primären Analphabeten (Menschen, die über keine Schreib- und Lesekenntnisse verfügen), die Zweitschriftlerner (Menschen, die in einem anderen Schriftsystem alphabetisiert wurden) und die funktionalen Analphabeten (Menschen, die bereits die Schule besucht haben, aber trotzdem nur begrenzt über schriftsprachliche Fähigkeiten verfügen). Alle drei Typen brauchen unterschiedlich lange beim Erwerb der schriftsprachlichen Kompetenzen.

Im Laufe der Zeit haben sich unterschiedliche Methoden zum Schriftspracherwerb im Grundschulwesen etabliert, die auch für erwachsene Analphabeten eingesetzt werden. Ebenfalls wurde in den letzten Jahren das Material zur Alphabetisierung Erwachsener weiterentwickelt. Viele Verlage haben Lehrwerke überarbeitet bzw. neu gestaltet, um den Anforderungen erwachsener Analphabeten gerecht zu werden. Neben guten Lehrwerken ist natürlich auch eine gut vorbereitete und motivierte Lehrkraft nötig, um die Analphabeten zu unterrichten. Vieles, was Kindern spielerisch beigebracht wird, muss an erwachsene Lerner angepasst werden. In diesem Workshop möchten wir die Grundlagen der Alphabetisierung genauer betrachten und Ansätze vermitteln, wie man diese praxisbezogen auf die jeweils spezifische Situation anwenden kann.

 

Lehrwerke auf dem Markt und Lehrwerkanalyse

Auf dem deutschen Markt gibt es unzählige Lehrwerke, die für unterschiedliche Lernendengruppen konzipiert wurden. Die Entscheidung, welches Lehrwerk für eine spezifische Lernendengruppe ausgewählt wird, wird oft aus dem Bauch heraus getroffen. Dieser Workshop stellt verschiedene moderne Lehrwerke vor und möchte mit den Teilnehmenden gemeinsam das Für und Wider der einzelnen Lehrwerke auf Basis von erprobten Analysekriterien diskutieren. Ziel ist es, dass die Lehrenden anschließend selbst in der Lage sind, ein angemessenes Lehrwerk für ihren Unterricht auszuwählen und auch entsprechend zu nutzen. Ebenfalls soll in diesem Workshop auf die Möglichkeiten eingegangen werden, Materialien kostenfrei aus dem Internet zu beziehen. Dabei bieten sich vor allem Lehrmaterialien an, die von dem Radiosender „Deutsche Welle“ oder vom Goethe-Institut angeboten werden.

 

Sprechen und Hören in der Fremdsprache

Sprechen und Hören sind wohl die wichtigsten Sprachfertigkeiten, um das alltägliche Leben meistern zu können. Sprechen in der fremden Sprache muss nicht nur unter phonetischen Aspekten berücksichtigt werden, sondern auch unter kulturellen; wie sagt man was in welchen Situationen. Ein grammatikalisch richtiger Satz bedeutet nicht immer, dass er auch von den Deutschen verstanden wird. In diesem Teil des Workshops wollen wir uns mit einer lang angelegten Strategie beschäftigen, die es den neuen Mitbürgern erlaubt, recht schnell und zielgerichtet auf Deutsch zu sprechen. Sprechen hängt direkt mit Hören zusammen. Eigentlich müsste das Hörverstehen im Fremdsprachenunterricht einen Großteil des Unterrichts ausmachen, denn mit rund 45% ist das Hörverstehen nach verschiedenen Schätzungen die am meisten gebrauchte Sprachfertigkeit. Was passiert aber, wenn man in einer fremden Sprache etwas verstehen muss? Im Workshop wird erklärt, wie Menschen in einer fremden Sprache Informationen durch Hören aufnehmen und wie man dies im Unterricht am besten trainieren kann. Dabei werden Hörstile wie globales Hören, selektives und detailliertes Hören thematisiert.

 

Wortschatzerwerb und Grammatikvermittlung

Der Wortschatzerwerb gilt im DaF-Unterricht als zentrales Lehr- und Lernproblem. Trotzdem werden der Erwerb und die Festigung von neuem Wortschatz in der Regel den Lernenden ohne Anleitung durch die Lehrenden überlassen. Lehrende thematisieren lieber Probleme mit der Grammatik im Unterricht, da diese einfacher zu erklären sind. Der Wortschatzerwerb wird oft aus dem eigentlichen Unterricht ausgeklammert. Ein Mangel an Wortwissen ist aber letztendlich ausschlaggebend für den Misserfolg der Kommunikation. Der erste Teil des Workshops geht den verschiedenen Facetten des Wortschatzerwerbs im Fremdsprachenunterricht nach und zeigt Möglichkeiten auf, wie die Wortschatzarbeit in den Unterricht integriert werden kann.

Der zweite Teil des Workshops beschäftigt sich mit der Vermittlung von Grammatik. Die Beschreibung der Struktur einer Sprache, sprich der Grammatik, ist im Unterricht besonders schwierig, wenn man auf keine Vorkenntnisse aufbauen kann. In diesem Teil des Workshops überlegen wir, wie viel Grammatik nötig ist, um die deutsche Sprache zu vermitteln. Dabei entwickeln wir eine kurze, didaktisch und pädagogisch reduzierte Grammatikbeschreibung, die die Lehrenden als Hilfestellung für ihren eigenen Unterricht mitnehmen können

 

Landeskunde und Interkulturelle Kompetenz

Dieser Workshop verfolgt zwei Ziele: Zunächst soll überlegt werden, welche Art von Wissen Flüchtlinge über das Leben in Deutschland erwerben sollen oder müssen. Dabei geht es um Faktenwissen (welche Ämter aufgesucht werden müssen etc.), aber auch um interkulturelles Wissen. Interkulturelles Wissen ist zum Beispiel das Wissen, wie Hierarchien in Deutschland gestaltet sind, wie das Rollenverständnis von Mann und Frau in der Gesellschaft verankert ist oder wie das Spannungsfeld zwischen individuellen und kollektiven Entscheidungen im gesellschaftlichen Leben konstituiert ist. Gemeinsam mit den Teilnehmenden soll ein Katalog erarbeitet werden, welches Wissen dabei wichtig ist.

Ein weiteres Ziel des Workshops ist auch die Sensibilisierung der Lehrenden für die interkulturelle Situation, in der sie beim Unterrichten stehen. Dies kann viele Faktoren betreffen, zum Beispiel die Hierarchie zwischen Lehrenden und Lernenden, das Rollenverständnis von Mann und Frau oder der Umgang mit Zeit. Anhand von Arbeit mit kritischen Beispielen sollen die Lehrenden für mögliche interkulturelle Konfliktsituationen sensibilisiert werden und darauf vorbereitet werden, mit diesen entsprechend umzugehen.


Einen Lagebericht von letztem Jahr finden Sie hier: http://buergerstiftung-darmstadt.de/aktuelle-projekte/weiterbildung-ehrenamtlicher-deutschlehrender/