Musikalisches Sozialprojekt unterstützt kindliche Entwicklung, verbindet Generationen und stärkt das Gemeinschaftsgefühl
Der Andrang ist immer sehr groß, wenn die Singstunde bevorsteht. Zweimal die Woche kommen in der Kita am See in Kranichstein Kinder und ältere Menschen zusammen, um gemeinsam zu singen. Zu Beginn lauschen sie andächtig den verhallenden Tönen einer Klangdusche, die auf den Gesang einstimmt. Dann folgen fröhliche Lieder. Gesungen werden moderne Kindergartenlieder und vor allem alte deutsche Volkslieder wie „Brüderlein komm tanz‘ mit mir“. Bei den Singstunden handelt es sich um das musikalische Sozialprojekt „Canto elementar“, das bereits seit fünf Jahren erfolgreich durchgeführt wird.
„Es ist ein rundum schönes und sinnvolles Projekt. Es bringt Jung und Alt zusammen. Außerdem fördert Singen nachweislich die Entwicklung von Kindern“, sagt Kirsten Seelig, Leiterin der Kindertagesstätte. „In der Kita am See haben viele Kinder einen Migrationshintergrund. Ihre Eltern sind begeistert von den traditionellen Liedern, die ihre Kinder lernen und somit deutsches Kulturgut kennenlernen“, ergänzt Dagmar Rechenbach, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bürgerstiftung Darmstadt. In der Startphase wurde „Canto elementar“ in der Kita am See von der Bürgerstiftung mit rund 10.000 Euro gefördert.
Initiator des Programms ist „Il canto del mondo“, ein deutschlandweit wirkender Verein, der „Canto elementar“ in einer zweijährigen Projektphase professionell an die Kindergärten bringt. „Zunächst wurden Laienchöre angesprochen, um ehrenamtliche Singpaten zu gewinnen. Dann wurden pädagogische Fachkräfte und Singpaten von Mitarbeitern von ‚Il canto del mondo‘ umfassend geschult“, erläutert Dagmar Rechenbach. Zur fachkundigen Anleitung zählte auch umfangreiches Schulungsmaterial. Nach der vorgegebenen, engmaschig begleiteten Startphase war die Kita dann so weit, das Projekt eigenständig weiterzuführen.
50 Kinder sind regelmäßig dabei
In der Kita am See werden 120 Kinder in zwei Häusern – im Haupthaus und in der Außenstelle – betreut. In beiden wurde das Projekt installiert: In einem Haus wird donnerstags, in dem anderen freitags gesungen. Jeweils 25 Kinder nehmen regelmäßig begeistert an den Singstunden teil. Manchmal passiert es, dass alle Plätze belegt sind und ein Kind auf die nächste Singstunde vertröstet werden muss. Aber die Enttäuschung ist nur von kurzer Dauer. Denn die nächste Stunde lässt nicht lange auf sich warten und findet spätestens in der darauffolgenden Woche statt.
Auch die ehrenamtlichen Singpaten sind mit viel Freude dabei. Vor fünf Jahren startete das Projekt mit sieben ehrenamtlichen Sängerinnen. Im Laufe der Zeit kamen weitere Singpaten dazu, sodass jetzt sieben Paten pro Haus den Kindern ihre Zeit für die Singstunden schenken. Außerdem wirken zwei Fachkräfte der Kita mit. Gitarrenspiel und ein taktgebendes Tamburin begleiten den Gesang. Ein Taktstock kommt ebenfalls zum Einsatz. „Am Anfang hat ein Mitarbeiter der Kita das Gitarrenspiel übernommen. Er hat mit viel Freude an dem Projekt mitgewirkt. Leider ist er verstorben. Das hat alle sehr betrübt“, blickt Dagmar Rechenbach zurück. Der Vater eines der Kinder hat inzwischen das Gitarrenspiel in der einen Gruppe ehrenamtlich übernommen. Die andere wird vom Sprachexperten des Kita-Teams begleitet.
Das Singpatenprogramm ist spielerisch und sehr ritualisiert. Reime und Gesten werden beim Singen wiederholt. Bewegungen helfen den Kindern, sich Wörter zu merken. Die Sprachentwicklung wird dadurch gefördert. „Über das alte Liedgut kommen unterschiedliche Generationen in Kontakt. Das gemeinsame Singen stärkt zudem das Gemeinschaftsgefühl und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, betont Kirsten Seelig. „Die Bürgerstiftung freut sich sehr, dass ‚Canto elementar‘ weiterhin so erfolgreich und eigenständig läuft“, sagt Dagmar Rechenbach. Weitere Fördergelder sind längst nicht mehr nötig.