Im Institut für neue technische Form (INTeF) fand eine Ausstellung zu Wilhelm Wagenfeld vom 26. November 2019 bis zum 01. März 2020 statt.
Wilhelm Wagenfeld gilt als Pionier des Industriedesigns. Er verlangte vom Produktgestalter- damals noch Formgeber genannt- wie auch vom Hersteller eine kulturelle und gesellschaftliche Verantwortung hinsichtlich der Qualität von industriell hergestellten Massenartikeln und nicht nur eine Produktion unter ökonomischen Aspekten der Gewinnmaximierung. Sein gesamtes Schaffen hat er unter die Maxime gestellt.
Nach der Ausbildung zum Industriezeichner, Silberschmied, Grafiker und freien Künstler wurde er 1923 in die Metallwerkstatt am Bauhaus Weimar aufgenommen. Ihn interessierte das neue Konzept von Gropius, durch die Zusammenarbeit von Künstlern und Handwerkern in den Werkstätten, die Einwürfe im Hinblick auf einen industriellen Herstellungsprozess zu optimieren. Weg vom künstlerischen Einzelstück hin zum auflagenstarken Industrieprodukt.
Die praktische Zusammenarbeit mit industriell arbeitenden Fabriken begann für Wagenfeld 1931 beim Jenaer Glaswerk Schott. Dort hat er zum einen die bereits bestehende Produktpalette überarbeitet, als auch neue Anwendungen entwickelt.
Im Musterhaus am Horn waren zur großen Bauhausausstellung 1923 auch Erzeugnisse von Schott zu sehen gewesen, vor allem neuartiges Back- und Kochgeschirr aus feuerfestem Glas. Gropius hatte aber damals schon angemerkt, dass diese „formale Schwächen“ aufwiesen.
Jetzt also beschäftigt sich Wagenfeld damit, verbessert funktionale und formale Details und gestaltete neue Gefäße. Für das bis dahin nur für Labor und optische Geräte verwendete hauchdünne Borosilikatglas entwarf er eine ganze Reihe Haushaltsgläser, u.a. das berühmt gewordene Teegeschirr, das es bis heute zu kaufen gibt.
Sein Erfolg führte im Weiteren zu Aufträgen bei den Porzellanmanufakturen Fürstenberg (1934) und Rosenthal (1938), vor allem aber 1935 zur Berufung zum künstlerischen Leiter der Vereinigten Lausitzer Glaswerke in Weißwasser – gleichberechtigt neben dem technischen und kaufmännischen Leiter. Diese größte europäische Glashütte steckte in einer tiefen Absatzkrise, die sie nach 4 Jahren der Tätigkeit Wagenfelds überwunden hatte. Dieser hatte unter der Qualitätsbezeichnung Rautenglas ein eigenes Produktsegment aufgebaut, das außerordentlich erfolgreich war und viele Auszeichnungen bekam, u.a. 1937 auf der Weltausstellung in Paris oder 1940 auf der Mailänder Triennale. Glasschliffe und Dekore ließ Wagenfeld nur dann zu, wenn sie aus der Form selbst entwickelt waren und nicht nachträglich aufgebracht wurden.
Besonders interessant waren Wagenfelds Entwürfe für das bis dahin als „Billigmaterial“ verachtete Pressglas. Es gelang ihm z.B., sichtbare Nähte zu vermeiden und schlichte, jedoch ansprechende Form- und Farbkonzepte zu realisieren – zu einem auch für die bisherige Käuferschicht akzeptablen Preis. Damit verfolgte er sein Ziel, große Stückzahlen und niedrige Preise mit einer hohen Qualität zu verbinden, die er für jeden industriell hergestellten Gegenstand forderte.
Die politische Entwicklung hat auch Wagenfeld schwer getroffen. Nachdem er sich auch 1944 noch weigerte, der NSDAP beizutreten, wurde er als „politischer Schädling“ an die Ostfront geschickt. Nach seiner Rückkehr aus russischer Gefangenschaft widmete er sich 1946 dem Wiederaufbau der weitgehend zerstörten Lausitzer Glashütten, für die er noch bis 1948 tätig war. Danach wendet er sich neuen Aufgaben zu: Lehrtätigkeiten und Leitung der Abteilung Typisierung und Normung am Institut für Bauwesen in Berlin. Ab 1950 setzt er seine praktische Arbeit mit der Industrie fort. Bis 1977 arbeitet er mit der WMF zusammen und entwickelt ganze Serien an Tischgerät – Bratenplatten, Tabletts, Butter- und Geleedosen, die berühmten Salz- und Pfefferstreuer „Max und Moritz“ und vieles mehr – aus dem neuen Material Cromargan. Gleiche Bausteine können für verschiedene Produkte verwendet werden. Auch seine lange Erfahrung mit Glas fließt ein in eine Vielzahl von Trinkglas- und Vasenentwürfen mit zum Teil ganz neue Formen.
1954 gründet er seine „Werkstatt Wagenfeld“ in Stuttgart und hat fortan ein Reihe renommierter Firmen als Auftraggeber für ganz unterschiedliche Themen wie Leuchten, Schreibmaschinen, Öfen, Plattenspieler, Türdrücker. Die Werkstatt besteht bis 1978. Er arbeitete strikt nach seinen Prinzipien: jeder Entwurf wurde in langen Versuchsreihen erprobt und anhand einer Vielzahl von Modellen überprüft, ehe er das Ergebnis einreichte. Seine Produkte zeichnen sich aus durch klare und ausgewogene Linienführung, die ebenso gut in der Hand liegen. Die „Brauchbarkeit“ verbunden mit „Schönheit“ sind ihm wichtige Eigenschaften. Langlebigkeit war eine weitere Voraussetzung für eine verantwortungsvolle Produktgestaltung, wie sie Wagenfeld zeitlebens vertreten hat – lange bevor es den Begriff Nachhaltigkeit oder ressourcenschonende Produktion gegeben hat.